Lebensmittel oder Krankmacher?

Hunger ist zunächst der absolute Mangel an Kalorien. Damit Ernährung gesund ist, muss sie jedoch nicht nur genug Energie enthalten, sondern auch eine ausgewogene Mischung an Eiweiß, Kohlehydraten und Fett sowie eine Vielzahl lebenswichtiger Mikronährstoffe wie Eisen, Zink, Jod, Mineralstoffe und Vitamine.„Gut 85% der Menschheit sind zwar ausreichend mit Proteinen und Energie versorgt, aber nur zwei Drittel mit genügend Vitaminen und essentiellen Mineralstoffen. Die Versorgung der armen Bevölkerung mit vielen dieser Nährstoffe hat sich verschlechtert. Dies ist die Folge verminderter Ernährungsvielfalt durch verstärkte Monokulturen von Grundnahrungsmitteln (Reis, Weizen und Mais) und des Verlustes einer Reihe nährstoffreicher Pflanzen in lokalen Ernährungssystemen.“ (Synthese, S. 54) Weltweit leiden rund zwei Milliarden Menschen unter einem Mangel an einem, häufiger sogar mehreren Mikronährstoffen – mit teilweise fatalen Folgen. Kurzfristige Notmaßnahmen wie die Verteilung von Vitamin A an Schwangere und Kleinkinder können in akuten Fällen Leben retten und Symptome lindern. Auch der Zusatz von Mikronährstoffen in Lebensmitteln kann helfen. Der Schlüssel zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung ist jedoch der Anbau und Genuss einer Vielfalt von Pflanzen und anderen Produkten mit ihren unterschiedlichen Inhaltsstoffen sowie eine Nahrungsmittelverarbeitung, die deren Qualität erhält. Dies gilt für die Selbstversorgung in ländlichen Regionen ebenso wie für hoch verarbeitete Lebensmittel im Supermarkt.

Fehlernährung und krankhafte Überernährung

Weltweit waren 2014 gut 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, davon 600 Millionen krankhaft fettleibig (adipös). Diese „globale Epidemie” - so die WHO - breitete sich rasant aus, zunehmend auch in armen Ländern. Zu energiereiche Ernährung bei mangelnder Bewegung ist die Ursache. Der weltweite Anteil der fettleibigen Erwachsenen hat sich zwischen 1980 und 2014 verdoppelt. Übergewicht gilt mittlerweile als wichtigste Ursache für Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfälle und bestimmte Krebsarten.„Die Konzentration auf Produktionssteigerung und Ernährungssicherheit statt Ernährungsqualität hat zum Anstieg der weltweiten Fettleibigkeit und der doppelten Belastung von Unter- und Überernährung in Entwicklungsländern beigetragen.“ (Global, S. 196)

Unter-, Über- und Fehlernährung zusammen sind für die meisten nicht ansteckenden Krankheiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen verantwortlich. Sie treffen in unterschiedlichem Maße heute gut die Hälfte der Weltbevölkerung und haben eine wesent- liche gemeinsame Ursache: Die Entkoppelung, Trennung und Entfremdung von Lebensmittel- erzeugung und ‑verbrauch.„Die öffentliche Finanzpolitik sollte die Gesundheit der Bevölkerung berücksichtigen. Agrarsubventionen, Umsatz- und Mehrwertsteuer sowie Anreize und Regulierungen für die Lebensmittelvermarktung könnten mit dem Ziel umgestaltet werden, die Ernährung und Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern – etwa indem Erzeugung und Verzehr gesünderer Lebensmittel wie Obst und Gemüse gefördert werden.“ (Synthese, S. 56)
Der Weltagrarbericht fordert, diese Zusammenhänge auf allen Ebenen wiederherzustellen. Die feinen Küchen dieser Welt können uns hierbei den Weg weisen: Viele pflanzliche und wenige, aber dafür gute tierische Produkte sowie eine maximale Vielfalt sind das Geheimnis toskanischer, chinesischer, indischer, französischer wie orientalischer Spitzenköche, die sich alle auf die reiche Tradition der einfachen Küche ihrer Region berufen. Auch die Politik könnte handeln, wie der Weltagrarbericht betont. >>mehr

Fakten & Zahlen

Nach den neusten Angaben der Weltgesundheitsorganisation litten 2014 etwa 1,9 Milliarden Menschen über 18 Jahre an Übergewicht. Von ihnen waren 600 Millionen Menschen krankhaft fettleibig. 2014 waren etwa 41 Millionen Kinder unter fünf Jahren übergewichtig oder fettleibig.

Unser Ernährungssystem macht krank. Die Zahl der Übergewichtigen übertrifft mittlerweile die der Unterernährten bei weitem. Der UN-Sonderberichterstatter schlägt vor, ungesunde Produkte zu besteuern; salz-, zucker- und fettreiche Lebensmittel zu regulieren; Werbung für Junkfood einzuschränken; Agrarsubventionen abzuschaffen, die ungesunde Zutaten billiger machen und die lokale Nahrungsmittelproduktion zu unterstützen, damit alle Zugang zu gesunder Nahrung haben.

In Deutschland sind sind 67% der Männer und 53% der Frauen übergewichtig. Jeder vierte Bürger (23% der Männer, 24% der Frauen) ist sogar adipös und hat einen Body-Mass-Index über 30. In der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen sind 82,5% der Männer und 80,3% der Frauen übergewichtig.

2 Milliarden Menschen weltweit weisen ein Defizit an einem oder mehreren Mikronährstoffen auf. 31% der Kinder unter fünf Jahren leiden an Vitamin-A-Mangel, in Ostafrika sind es sogar 46%. In Südasien mangelt es 66% der Kinder an Eisen.

Jährlich erblinden 250.000 bis 500.000 Kinder an den Folgen von Vitamin-A-Mangel. Die Hälfte von ihnen stirbt innerhalb eines Jahres nach dem Verlust des Augenlichts.

2013 wurden in Deutschland 1.452 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben und kamen in der Tierhaltung zum Einsatz. 2011 waren es noch 1.706 Tonnen - fast doppelt so viel wie in der Human- medizin. Knapp die Hälfte der Gesamtwirkstoffmenge wurde im nördlichen Nordrhein-Westfalen und im westlichen Niedersachsen ausgegeben. Die Einsatz von Fluorchinolonen in der Tiermast, die als wichtige Reserveantibiotika für den Menschen gelten, stieg seit 2011 von 8 auf 13 Tonnen an.

Eine Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW hat ergeben, dass 9 von 10 Masthühnern (92,5%) während ihrer Mastdauer mit Antibiotika behandelt wurden. Die Studie bezog 832 Mastdurchgänge aus 184 Betrieben ein, die 2011 in NRW untersucht wurden.

Nach Angaben der WHO traten im Jahr 2015 rund 480.000 neue Fälle von multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) auf, bei der Patienten gegen die üblichen Medikamente resistent sind. Fast die Hälfte der Betroffenen leben in drei Ländern: China, Indien und Russland.

Im Jahr 2014 waren in Deutschland 776 Pflanzenschutzmittel mit insgesamt 276 Wirkstoffen zugelassen. Insgesamt wurden 46.103 Tonnen Pestizide im Inland verkauft - ein Drittel mehr als noch 2004 mit 35.131 Tonnen, obwohl die eingesetzten Mittel immer wirksamer werden.

Von den 335.000 tödlichen Unfällen am Arbeitsplatz ereignen sich mindestens 170.000 Unfälle pro Jahr in der Landwirtschaft. Maschinen, wie Traktoren und Erntemaschinen, sind für die meisten Verletzungen verantwortlich. Hinzu kommen 70.000 Pestizidvergiftungen mit tödlichem Ausgang und 7 Millionen Fälle mit akuten und langfristigen Gesundheitsschäden durch Pestizide.

59% der Kinderarbeit findet in der Landwirtschaft statt. Circa 98 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren arbeiteten 2012 in diesem Sektor, die meisten von ihnen in Asien und Subsahara-Afrika. Die Dunkelziffer bei der Kinderarbeit in der Landwirtschaft ist besonders hoch.

Grundlagen

Bewegung

Literatur

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